Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Herr Stephan Weil, verlieh am 9.12.2015 Herrn Dr. Hermann Focke, ehemaliger Leiter des Veterinäramtes Cloppenburg, für seine Verdienste um den Tierschutz den Niedersächsischen Verdienstorden am Bande. In einer Feierstunde am 30.3.2016 wurde Herrn Dr. Focke der Orden durch den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer ausgehändigt.
Wie nur wenige Amtstierärzte hat sich Dr. Hermann Focke für den Schutz landwirtschaftlich genutzter Tiere eingesetzt. Seiner Überzeugung, als Tierarzt zum Schutz dieser Tiere berufen und für sie verantwortlich zu sein, ist er stets treu geblieben.
Hermann Focke wurde am 23.12.1940 als ältestes von 6 Kindern im münsterländischen Mettingen geboren. Sein Vater Josef Focke, ebenfalls Tierarzt, wurde als einer der wenigen nicht in der NSDAP aktiven Veterinärmediziner nach Ende des Krieges zum ersten Präsidenten der neu gegründeten Tierärztekammer Westfalen-Lippe ernannt. Er prägte auch das gesellschaftspolitische Leben in der Gemeinde Mettingen maßgeblich mit. So verbindlich und ausgleichend wie Josef Focke einerseits in seinen vielen öffentlichen Ämtern auftrat, so streng führte er andererseits das Regiment in seiner Familie. Schon früh musste sich deshalb der heranwachsende Hermann darin üben, eigene Vorstellungen gegen den dominanten Vater durchzusetzen und Ängste und Schüchternheit zu überwinden.
Nach dem Abitur studierte Hermann Focke in Hannover und München Tiermedizin. Als Reiter mit Vorliebe für die Vielseitigkeitsreiterei zog es ihn schon während des Studiums in Hannover als Unterassistent in die Pferdeklinik zu Prof. Schebitz. Ihm folgte er nach bestandenem Staatsexamen an die Tierärztliche Fakultät der Universität München, wo Prof. Schebitz unterdessen die Leitung der Chirurgischen Tierklinik übernommen hatte. Aufgrund seiner chirurgischen Fähigkeiten und seines Interesses für Rinder fungierte Hermann Focke bereits mit 27 Jahren als faktischer Leiter der chirurgischen Klinik angeschlossenen Abteilung für Rinder.
Mit einer Dissertation über die radiologische Untersuchung des Sprunggelenks des Rindes promovierte Hermann Focke 1967 zum Dr.med. vet.
Statt jedoch weiter wissenschaftlich zu arbeiten und sich zu habilitieren – auch diese Möglichkeit stand ihm offen – erwarb er in Hannover mit dem ,Kreisexamen‘ die Qualifikation für den höheren Dienst in der Veterinärverwaltung und trat seine erste Stelle im öffentlichen Dienst in Nienburg an der Weser an. Er wechselte von dort nach Osterrode/ Harz und wurde 1980 stellvertretender Leiter des Veterinäramtes Vechta. Hier landete er einen beachtlichen Erfolg, indem er dem damals größten Legehennenhalter Deutschlands schwere Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften gerichtsfest nachweisen konnte.
1989 schließlich Veterinäramtsleiter in Cloppenburg, der Region mit der höchsten Nutztierdichte Europas, wurde.
Für einen Amtsleiter mit Zivilcourage, der sich als Tierschützer versteht und alles andere als konfliktscheu ist, war Krach damit schon fast vorprogrammiert. Getreu seiner Überzeugung und seines beruflichen Selbstverständnisses wies Herrmann Focke immer wieder auf die Probleme und Missstände in der sich zunehmend industrialisierenden landwirtschaftlichen Nutztierhaltung hin.
Die nachstehenden Beispiele zeugen vom konsequenten Einsatz Hermann Fockes für die Einhaltung und Umsetzung der entsprechenden Gesetze:
Als die Schweinepest in seinem Landkreis wütete, warf Focke dem stellvertretenden Verwaltungschef Untätigkeit vor, weil dieser nicht einschreiten wollte als Viehhändler entgegen der seuchenhygienischen Maßnahmen Schweine aus einem Sperrgebiet nach Dresden und anderswo transportiert hatten. Damals ging es um 33.000 Schweine.
Als im April 1992 für Viehhandelsunternehmen Rindertransporte in den Nahen Osten vom Veterinäramt Cloppenburg abgefertigt werden sollten, die lückenlose Versorgung der Tiere auf ihrem langen Transportweg aber auf Nachfrage Fockes beim Ministerium nicht sichergestellt schien, weigerte sich Hermann Focke, die notwendigen Papiere zu unterschreiben. Kollegen der Nachbarkreise waren dabei weniger kritisch und fertigten die Transporte ab.
Dr. Focke machte sich kurzerhand auf eigene Kosten und während seiner Freizeit auf den Weg und verfolgte mehrere Tiertransporte, um sich persönlich ein Bild von den Bedingungen zu machen, unter denen die Tiere transportiert wurden. Die Transporte waren durch EU-Subventionen lukrativ geworden.
Die in der Presse veröffentlichten Beobachtungen über die tierschutzwidrigen Bedingungen der Tiertransporte in den Mittelmeerraum und ans Schwarze Meer führten zu erheblichen Auseinandersetzungen mit der übergeordneten Behörde. Bezüglich Auskünfte gegenüber Medien wurde Hermann Focke ein Maulkorb verpasst und jegliche Rückendeckung durch das Tierschutzreferat des Ministeriums wurde ihm, der die amtstierärztliche Berufsordnung ernst nahm, vorenthalten. Im Ministerium vertrat man die Ansicht, dass „wenn wir die Transporte verhindern, gehen die von Holland aus los…“.
Obwohl er Amtsleiter war, entzog man Focke die Zuständigkeit für die Tiertransportabfertigungen und unter Beteiligung eines führenden Ministerialbeamten des damaligen Landwirtschaftsministeriums wurde er nach und nach durch weitere Tätigkeitsverbote im Amt ,kaltgestellt‘.
Hermann Focke hat zahlreiche Nachweise erbracht, wie in zuständigen Behörden Tierschutz durch Verordnungen oder Anordnungen verhindert wurde, z.B. wie Belegdichten entgegen Expertengutachten vom Ministerium per VO erhöht wurden. Seine von ihm selbst entwickelten Konzepte und Vorschläge für die Verbesserung von Haltungsbedingungen und seuchenprophylaktischen Maßnahmen blieben unberücksichtigt.
Ebenso wie mit dem Tierschutz befasste sich Focke auch mit dem Einsatz von Medikamenten, insbesondere Antibiotika, in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Scharf kritisierte er den ungerechtfertigten, sachfremden Gebrauch von Antibiotika als Leistungsförderer.
1998 schied Hermann Focke auf eigenen Antrag vorzeitig aus dem amtlichen Dienst aus, um, wie er betont, wieder Tierarzt sein zu können.
Ganz besonders erfreulich ist, dass Hermann Focke nach den vielen Jahren nun endlich eine Art Rehabilitation durch die jetzige Regierung des gleichen Ministeriums erfährt, mit dem er so häufig Differenzen hatte und welches ihm als Amtsleiter das Leben so schwer gemacht hatte.
Als ,Opfer‘ sieht er, der heute in Uplengen lebt, sich dennoch nicht. Klein beigeben, Mund halten und sich anpassen, das entspricht ganz und gar nicht seinem Naturell.
Die Tiere, für die er sich einsetzte, waren für ihn stets ,, meine Tiere“ und er fühlte sich ihnen verpflichtet.
Neben drei veröffentlichten Büchern zu Tierschutz, Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung und Haltungsbedingungen der Tiere in der industrialisierten Landwirtschaft hat Hermann Focke auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bei zahlreichen Gelegenheiten, auf Tagungen, in Vorträgen, Interviews und schriftlichen Beiträgen in der Fachpresse weiterhin seine in langer Erfahrung gewachsene Überzeugung zum Ausdruck gebracht: , Seit Bestehen der Menschheit hat es kein solches Ausmaß an Tierquälerei gegeben – sowohl was die Quantität als auch die Qualität angeht – wie in der heutigen Zeit.‘ Auch vor Kritik an einem Großteil des eigenen Berufsstands hat er dabei nicht Halt gemacht. Dr.Focke ist Gründungsmitglied des 2012 gebildeten Tierärztlichen Forums für verantwortbare Landwirtschaft.
Während behördliche Vorgesetzte Disziplinarverfahren gegen ihn einleiteten, erhielt Dr. Focke für seine Verdienste um den Tierschutz etliche Auszeichnungen, so im Januar 1994 den Dr. Wilma von Düring – Forschungspreis für Tierschutz der Freien Universität Berlin, als erster Preisträger 1995 den Zivilcouragepreis der Solbach-Freise-Stiftung, 2011 den Tierschutzpreis der Hans Rönn-Stiftung Menschen für Tiere und nun den Niedersächsischen Verdienstorden am Bande.
Und was denkt Hermann Focke heute, wenn er zurückblickt auf seine tierärztliche Laufbahn, auf bisweilen aufreibende und anstrengende Jahre mit hoher nervlicher Belastung? „ Manches würde ich heute etwas geschickter anfangen, aber im Grunde würde ich alles genauso wieder machen.“
Aus heutiger Sicht muss man feststellen, dass Hermann Focke mit seiner Auffassung seiner Zeit weit voraus war. Er wurde für Vorgehensweisen angegriffen, die inzwischen in weiten Teilen einer Gesellschaft, die die intensive industrielle landwirtschaftliche Tierhaltung nicht mehr toleriert, von Tierärzten erwartet und gefordert werden.
Und so ist es doch der richtige Weg, der eigenen Überzeugung treu zu bleiben, auch wenn es manchmal lange dauert, bis das die verdiente Anerkennung findet.
(Dr. Ines Advena, Münster)
Bücher von Hermann Focke:
Tierschutz in Deutschland – Etikettenschwindel (2006)
Die Natur schlägt zurück – Antibiotikamissbrauch in der intensiven Tierhaltung (2010)
Die Antibiotika-Lüge – Massentierhaltung und Antibiotikamissbrauch (2015)