Wir Menschen entdecken immer mehr, wie viel wir gemeinsam haben mit anderen Lebewesen. Wir wissen inzwischen, dass das Genom einer Eintagsfliege zu 95% mit dem menschlichen übereinstimmt. Auch kommt die Forschung weg von der Vorstellung, ein Genom sei festgelegt, sondern sie entdeckt immer mehr Wechselwirkungen mit der Umwelt und stellt fest, dass die Umwelt Einfluss auf das Genom von Lebewesen hat.
Viele menschliche Eigenschaften und Gefühle kann man genauso gut bei Säugetieren beobachten, z.B. Fürsorglichkeit, Hilfsbereitschaft, Kooperation, das Empfinden von Freude und Trauer, die Suche nach einem angenehmen Leben und vieles mehr. Säugetiere unterscheiden sich in Kognition, Emotion und Empathie nur graduell von menschlichen Tieren (Menschen). Sie sind Subjekte, die über Bewusstsein verfügen und über das Vermögen, ihre Umwelt zu gestalten, und entsprechend sind sie zu behandeln.
Die Art und Weise, wie wir Menschen miteinander umgehen, hat etwas damit zu tun, wie wir mit unseren Tieren umgehen. Nicht, dass wir Fleisch essen ist das Problem, sondern wie wir es produzieren und wie wir dabei die Tiere quälen. Das muss nicht sein.
Erinnert sei der weise Spruch von L. Tolstoi: „Solange es Schlachthöfe gibt wird es Schlachtfelder geben. Und auch: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.“ (M. Gandhi)
Wir als Gesellschaft müssen eine Kultur der Achtsamkeit, der Dankbarkeit und des Respekts vor unseren Mitgeschöpfen entwickeln. Der gesellschaftliche Wille dazu ist vorhanden. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist mittlerweile aufgeklärt über die Lebensbedingungen der „Nutztiere“ hinter den verschlossenen Stalltüren und lehnt diese als Tierquälerei ab. Etliche Philosophen und Psychoanalytiker mahnen schon lange, dass wenn Menschen das wichtige Gefühl des Mitleids mit den Tieren abschalten, sie es auch nicht mehr im Umgang mit ihren Mitmenschen zur Verfügung haben, und dass alles, was wir Menschen mit den Tieren machen, letztlich bei uns selbst ankommt.
Deshalb ist es eine politische Aufgabe, den Stellenwert der Tiere in der Gesellschaft dem aktuellen tierethischen Status quo anzupassen. Das ist unverzichtbare Voraussetzung dafür, der landwirtschaftlichen Tierhaltung zukünftig gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen. Die jetzige Situation widerspricht der Mitgeschöpflichkeit eklatant. Politik ist hier besonders in der Pflicht.
Unsere Forderungen an die verantwortlichen Politiker lauten deshalb wie folgt:
1. Änderung des rechtlichen Status der Tiere
- Tiere als Subjekte in der Rechtsprechung beteiligen und zu Trägern von Rechten machen. Das bedeutet nicht, ihnen Menschenrechte zu verleihen, sie rechtlich den Menschen gleichzustellen, sondern hier geht es um eine abgestufte Rechtsgleichheit. Menschenaffen brauchen Menschenaffenrechte, Schweine Schweinerechte und Rinder Rinderrechte. Maßstab ist hier nicht das öffentliche Interesse, sondern das Interesse der Tiere selbst. Das Eigenrecht der Tiere auf ein ihnen gemäßes Leben muss rechtlich verankert werden.
- Tiere müssen ihren derzeitigen rechtlichen Status als handelbares Eigentum verlieren.
- das höchste Ziel, das größte Interesse der Tiere ist nicht die Vermeidung von Leid, sondern sind Lebensfreude, sind vielfältige Stimulationsmöglichkeiten, ist ein gutes Leben und ein nicht zu früher Tod.
- staatlich beauftragte Treuhänder sollen die Rechtsansprüche der Tiere politisch vertreten. Da Tiere sich nicht selbst verteidigen können, haben sie für die Justiz derzeit auch kein wahrnehmbares Interesse daran, es zu wollen.
- unverzichtbar ist eine öffentliche, politische Debatte über die Definition des „vernünftigen Grundes“ im Tierschutzgesetz. Hier ist die Frage zu stellen, was denn genau die vernünftigen Gründe für gewolltes Tierleid und gewollten Tiertod sind. Dabei muss es um Vernunft im philosophischen, moralischen Sinne gehen, nicht wie bisher um „Vernunft“ im ökonomischen Sinne. Genau an diesem Punkt muss sich der Staat zu einer Haltung bekennen!
- Ziel ist die Neufassung des Tierschutzgesetzes auf Grundlage der o.a. Sichtweise.
2. Übergangs – und Sofortmaßnahmen
- das bestehende TierSchG ernst nehmen und die Bestimmungen der §§1,2 umsetzen. Bisher haben Bund und Länder nicht einmal darauf geachtet!
- eine grundsätzliche Agrarreform, in der Deutschland zum Vorreiter einer innovativen, verantwortbaren Landwirtschaft wird, die den Menschen nachhaltig nützt und nicht schadet
- finanzielle Unterstützung für Betriebe, die ökologisch wirtschaften und Tiere ihren Bedürfnissen entsprechend halten, finanzielle Belastungen für Betriebe, die das nicht tun
- Sachkundenachweis für tierhaltende Landwirte einführen, Sachkenntnis kontrollieren
- Bestandsobergrenzen einführen, Verhältnis Tierzahl – betreuende Personenzahl festlegen mit dem Ziel, die Tierzahl insgesamt erheblich zu reduzieren
- Verbot von Spaltenboden für neue Stallbauten, zootechnischen Maßnahmen (Amputationen), Anbindehaltung, Kastenständen, Verbot des sofortigen Trennens des Kalbes von der Mutterkuh. Nur noch Stallbauten genehmigen, die Möglichkeitsräume für gutes, abwechslungsreiches Tierleben bieten. Auslauf- und Weidehaltung vorschreiben, erheblich erhöhten Platzbedarf definieren und vorschreiben, den Tieren die Bildung stabiler Sozialstrukturen ermöglichen
- Verbot der Akkordarbeit in Schlachtbetrieben
- deutliche Kennzeichnung von Fleisch nach Haltungsform der Tiere mit staatlicher Garantie – auch in verarbeiteten Produkten
- Veränderung der Ernährungsgewohnheiten engagiert fördern hin zu mehr pflanzlicher Ernährung. Förderung von Achtung, Respekt und Verständnis für Tiere durch mehr Tierkontakte. Die Menschen müssen wieder sehen und wahrnehmen können, wie die Tiere leben, die sie nutzen.
- Kontrollinstanzen stärken. Veterinärämter personell aufstocken, Ausbildung im öffentlichen Veterinärwesen verbessern.
- für Tierschutzfälle bei den Staatsanwaltschaften ein Sonderdezernat bilden, so dass nur bestimmte Staatsanwälte für die Verfahren im Tierschutz zuständig sind. Diese können auf diesem Wege das nötige Fachwissen erlangen. Staatsanwaltschaften insgesamt besser personell ausstatten. Da es in Tierschutzverfahren bisher selten zu Verurteilungen kommt, werden diese Verfahren aus Zeitmangel hinter andere Verfahren zurückgestellt, bei denen mit einer Verurteilung zu rechnen ist.
- Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen im Tierschutzgesetz verankern. Eine vermehrte Rechtsprechung würde auch dazu beitragen, unbestimmte Rechtsbegriffe im TierSchG zu konkretisieren.
Eine Politik, die solche Vorschläge für nicht umsetzbar erklärt, handelt verantwortungslos und betreibt reine Klientelpolitik für Landwirte (und hier auch nur für einen Teil) und für die Agrarindustrie, die als Einzige vom jetzigen System profitieren.