…weil wir uns nicht daran gewöhnen dürfen…
Wieder sind Bilder einer im höchsten Maße tierschutzrelevanten Schweinehaltung in die Öffentlichkeit gelangt. Diesmal handelt es sich um eine Dokumentation aus einem Schweinezucht – und Schweinemastbetrieb in Günthersdorf in der Niederlausitz.
Wie von Peta Deutschland angegeben hatte ein Whistleblower der Tierrechtsorganisation Bildmaterial zu Verfügung gestellt. Das Bild- bzw. Videomaterial war Anfang des Jahres 2017 aufgenommen worden und zeigte stark mit Exkrementen verschmutzte Tiere und Buchten, schwer verletzte Tiere, tote und nicht ordnungsgemäß entsorgte Ferkel und damit eindeutige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bzw. gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, was auch vom zuständigen Veterinäramt so bestätigt worden war.
Bei einer zweiten Dokumentationsreihe ca. ein halbes Jahr später – aufgenommen Ende Juni 2017 – konnten keine Verbesserungen verzeichnet werden. Die Aufnahmen zeigten erneut lebensschwache, schwer verletzte, sterbende und bereits tote Ferkel. Tote Tiere waren nicht ordnungsgemäß entsorgt und Muttersauen in viel zu kleinen Kastenständen eingezwängt (Abmessungen: 58 cm in der Breite). Damit handelte es sich eindeutig um eine Zuwiderhandlung gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg aus dem Jahr 2015, ein Urteil, das durch das Bundesverwaltungsgericht 2016 bestätigt worden war. Durch diese Gerichtsurteile ist gesetzlich festgelegt, dass die Kastenstände in ihren Ausmaßen so gestaltet sein müssen, dass ein Hinlegen und Aufstehen der Tiere problemlos möglich ist und im Liegen ihre Extremitäten nicht in die Buchten der benachbarten Tiere hinein reichen – gesetzliche Anforderungen, die in der dargestellten Sauenhaltung nicht erfüllt waren.
Mastbuchten waren nicht nur verdreckt, sondern in einigen Fällen auch zu dicht besetzt. (Besatzdichte von 0,226 m2 pro Tier, obwohl nach der Tierschutz – Nutztierhaltungsverordnung mindestens eine doppelt so große Fläche für Läuferschweine vorgeschrieben ist).
Weiterhin waren verletzte Tiere zu erkennen, z. T. mit kindskopfgroßen Umfangsvermehrungen, Hernien, Lahmheiten, Augeninfektionen etc., Krankheitsgeschehen, die offensichtlich nicht tierärztlich behandelt worden waren und schon länger andauerten.
Die baulichen Gegebenheiten widersprachen in einigen Fällen den gesetzlichen Anforderungen und waren insgesamt in einem so desolaten Zustand (Risse, Spalten Oberflächendefekte), dass die Stallanlagen so nicht zur Schweinehaltung hätten eingesetzt werden dürfen.
Anzeigen beim zuständigen Veterinäramt und bei der Staatsanwaltschaft erfolgten durch die Tierrechtsorganisation Peta.
Der Veterinäramtsleiter des zuständigen Amtes in Beeskow DVM Thomas Maczek hat dem Betrieb nach Kontrolle einige Auflagen erteilt – weitergehende Maßnahmen erfolgten dagegen nicht. Die Schließung der Anlage bzw. das Aussprechen eines Tierhaltungsverbotes wurden von Herrn Maczek als für nicht notwendig erachtet, obwohl er selber in einem Interview die Haltung als schlecht, tierschutzrelevant und nicht artgerecht eingestuft hatte.
Der Verein Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. hat sich schriftlich und fernmündlich mit Herrn Maczek in Verbindung gesetzt und um ein Gespräch gebeten, um auch von dieser Seite Informationen einzuholen und sich ein sachlich – fachliches Bild von der Situation machen zu können. Leider zeigte der Kollege kein Interesse an einem klärenden Gespräch, welches er für unnötig hielt („bringt ja nichts“), insbesondere auch deswegen, da er in 14 Tagen in die Rente gehe und ihn das alles nichts mehr angehe. – Resignation oder Desinteresse , auf jeden Fall aber ein Verhalten, das für einen ärztlichen Beruf unangemessen ist.
Ob es sich nun um Bilddokumentationen aus einer Agrargenossenschaft im Osten der Republik handelt, um Aufnahmen aus Stallanlagen von hochrangigen Funktionären des Bauernverbandes oder um Videoaufnahmen aus Ställen der Familie einer amtierenden Landwirtschaftsministerin – alle Bildmaterialien zeigen ähnlich unhaltbare Zustände, die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz darstellen.
Die zeitlichen Abstände, mit denen uns als Gesellschaft und Verbraucher solche Bilder präsentiert werden, werden immer kürzer – Empörung und Unverständnis über ein Nichteinschreiten und Abstellen dieser Zustände nehmen in der Bevölkerung zu!
Wir dürfen uns nicht an diese Bilder gewöhnen, es handelt sich nicht um unrühmliche Ausnahmen und schwarze Schafe bei den Tierhaltern, es handelt sich um systembedingte Zustände. Hier hat man es mit millionenfachem Tierleid zu tun, das in dem bestehenden „Produktionssystem“ zur Normalität gehört, eine Normalität, die wir als Gesellschaft mit einem ethischen Anspruch, einem christlichen Wertekanon im Hintergrund sowie der Staatszielbestimmung Tierschutz im Grundgesetz nicht als gegeben hinnehmen dürfen.
Ganz besonders problematisch dabei ist die Rolle der Veterinärämter und deren Vertreter zu bewerten. Der lasche Umgang – wie in diesem Fall – mit solch gravierenden Fällen von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz kommt immer wieder vor, ist nicht zu rechtfertigen und auch dem Verbraucher nicht zu vermitteln.
Tierärzte nehmen in diesem System eine Schlüsselrolle ein und halten quasi durch ihre Arbeit dieses in hohem Maße unethische Tierhaltungssystem am Laufen. Veterinärbeamte, deren Aufgabe es ist, das Tierschutzgesetz und Verbraucherschutzgesetze durchzusetzen, sind in vielen Fällen bei offensichtlichen Gesetzesverstößen zu nachgiebig. Sei es, dass sie die mit der Durchsetzung der Gesetze verbundenen Unannehmlichkeiten scheuen oder weil sie selber so wenig Abstand zu dem bestehenden Tierhaltungssystem haben, dass sie untätig bleiben und Entschuldigungen für bestehende Gesetzesbrüche herbeizitieren. Damit verstoßen sie aber gegen die Garantenpflicht und machen sich zum Steigbügelhalter einer industriellen Tierhaltung, obwohl das Berufsethos des Tierarztes dem entgegensteht und sie dem gesamten Berufsstand einen erheblichen Imageschaden zufügen und unser aller Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.
Dr. Claudia Preuß-Ueberschär, Wedemark
Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V.