Die Aussage im Editorial der Fachzeitschrift „Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle“ (23. Jahrgang – 2/2016), dass Tierärzte und insbesondere Tierärzte im „Amtstierärztlichen Dienst“ kreativ, gestalterisch, verantwortungsvoll und eigeninitiativ agieren und sich nicht hinter Paragraphen verstecken sollen, können wir nur unterstützen. Auch der Aufruf an die Gesellschaft, nicht wegzuschauen, wenn es unbequem wird, ist durchaus berechtigt.
Die Aussagen sind in Klarheit und Deutlichkeit bemerkenswert und neu aus den Funktionärsreihen der Tierärzteschaft.
Unterstützenswert!
Wortlaut des Editorials (hier auf den Seiten des Bundesverbands des beamteten Tierärzte):
Liebe Leserinnen und Leser,
Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichen Einsatz, also mit Hingabe, ihrem Beruf zu widmen (§ 34 BeamtStG), dies gilt für Tarifbeschäftigte entsprechend. In den Hierarchien der Verwaltungsebenen, aber auch in der Politik wird von uns Gefolgschaft einfach erwartet. Mitgestaltung jedoch ist oft unerwünscht oder wird als Alibifunktion gerade noch geduldet. Die Folge davon ist der „Dienst nach Vorschrift“. Parallelen zur Bayern-Ei Bewältigung sind nicht beabsichtigt, leider aber offenkundig.
Wer jedoch blindlings, ohne eigene Gedanken und Kreativität „Dienst nach Vorschrift“ leistet, verfängt sich im Sumpf der Paragrafen und findet kaum praktikable, gute Lösungen.
Erkennen Sie sich in Ihrem Arbeitsumfeld wieder ? „Ja“ möchte man sagen. „Nein“ muss man sagen, denn „Ja“ bedeutet Resignation. Deshalb gilt: Die Amtstierärzteschaft gestaltet mit.
Wir sollten als Amtstierärzte nicht darüber greinen, dass die Bundes- und Länderpolitik, die Medien, die Wirtschaft und die NGOs uns die „richtige“ Welt des Tierschutzes zeigen und erklären. Dies stellt endlich nur die gesellschaftliche Debatte dar. Dass es keine theoretische Debatte bleibt, dafür sind wir an den Verladerampen der Ställe und Schlachthöfe auf dem Posten und möglichst auch in den Sektionshallen der Tierkörperbeseitigungsanlagen. Denn hier verschwinden zu viele tierschutzrelevante Befunde ungesehen im Brecher, einem idealen Flaschenhals. Ohne sachdienliche Werkzeuge wie z. B. diese Befunderhebung oder existierende Bußgeldbewährung (z. B. beim Schlachten hochtragender Tiere) bleiben wir natürlich hinter den Erwartungen der Gesellschaft zurück.
Solche wunden Punkte gibt es viele und dies, obwohl die Verrechtlichung unserer Aufgabengebiete immer noch weiter fortschreitet, Paragrafendschungel eben.
Der Paragrafendschungel suggeriert inzwischen den Verwaltungsjuristen als den Sachverständigen in Fachfragen der Lebensmittelsicherheit, der Tierseuchenbekämpfung und des Tierschutzes. Da werden schon mal die Plätze zwischen Leitung und Mitwirkung, zwischen Expertise und juristischer Auslegung getauscht. Man denke beim Verwaltungsjuristen auch an die Tätigkeit des Pathologen: „Er weiß alles, er kann alles – aber seine Erkenntnis im Einzelfall kommt zu spät“.
Die Ergebnisse dieser Entwicklung treten wie eingangs beschrieben schon zu Tage – Ausbrennen und Resignation ohne Lebenszeitausgleich sind die Folgen.
Noch ein Wort zum Zeitgeist: Dies bedeutet nach wie vor, Lebensmittel am liebsten im Angebot zu kaufen, gleichzeitig aber gegen Massentierhaltung und Großschlachtbetriebe zu lamentieren; für die Ansiedlung von Wolf, Biber und Greifvögeln zu sein und deren negative Bedeutung für eine bäuerliche, auskömmliche Landwirtschaft auszublenden – interessenorientierte Moral oder mangelndes Wissen? Täglich konsumiert man den Coffee to go, Flugreisen sind super für den Urlaub und Business. Allerdings, Kühe gehören wegen der Umweltschädlichkeit abgeschafft.
Apropos Milchviehhaltung: gerade spielt sich ein Drama für Tierhalter und Tiere durch den Preisverfall der Milch ab. Die Effizienzsteigerung mittels Zucht-, Haltungsund Managementoptimierung ist am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Die Milchviehhalter und noch weniger die Milchkühe kommen ohne Hilfe der Gesellschaft nicht aus dem Dilemma heraus. Allerdings kann die Hilfe der Gesellschaft nicht im Wegschauen bestehen.
Resignation oder Engagement – was ist zu tun?
Wer nicht kämpft hat schon verloren ! Deshalb bitte ich um Ihr Engagement in unserer beruflichen Tätigkeit wie auch in der Politik der Gemeinden, der Länder, des Bundes und der EU.
Herzlichst
Dr. Holger Vogel
Präsident Bundesverband der beamteten Tierärzte e.V.
Vereinigung der Tierärztinnen und Tierärzte im öffentlichen Dienst